Geschichten über die Ögghöfe
Die knapp 600 Jahre alten Ögghöfe beherbergen so manches Stück Kaunertaler Geschichte und versprechen atemberaubende Aussichten auf den Gepatschgletscher. Aufzeichnungen aus dem 16. Jahrhundert belegen, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt Höfe auf der Ögg befunden haben. Die heutigen, immer noch bestehenden Höfe, entstanden um 1770.
Die Ögghöfe thronen hoch über dem Kaunertal auf einem Geländerücken der steil abfallenden westlichen Talseite in knapp 1.500 Metern Seehöhe. Einst zählte die Hofgruppe zu den höchstgelegensten Dauersiedlungen Tirols.
Die sehr exponierte Lage erscheint einem heute mehr als nur unwirtschaftlich, war aber vor ein paar hundert Jahren durchaus als Gunstlage zu betrachten. Geschützt vor Lawinen und Muren mit einer sprudelnden Quelle Trinkwasser hat der Weiler durchaus Vorteile für eine Besiedelung geboten.
Die insgesamt 3 Höfe auf der Ögg (Flurname Ögg ist bereits seit 1440 urkundlich bekannt) beherbergten zu ihren Spitzenzeiten während den Zwischenkriegsjahren sogar bis zu 54 Personen.
Durch die aus dem Krieg resultierende Wirtschaftskrise waren nahezu alle der 54 Bewohner ohne Arbeit und deshalb immer ohne Beschäftigung auf den Ögghöfen. Mit der Zeit wurde durch die Krise und Arbeitslosigkeit auch die Nahrung knapp. So kam es immer wieder vor, dass die „Ögg-Kinder“ in den Kaunertaler Jagdrevieren wilderten und das ein oder andere Tier erlegten.
Schulwege der besonderen Art
Sogar der Schulweg für die bis zu 20 Kinder aus den Ögghöfen war mehr als nur eine Besonderheit.
Durch die sehr exponierte Lage der Höfe – 3 Lawinenstriche umzingeln die Höfe – mussten die damaligen Schulkinder meist kreativ werden.
So rutschten die Kinder während der Wintermonate über den „Ögg-Bichel“ zwischen Lawinenstrichen hindurch ins Tal hinab.
Durch die sehr lange Bestandzeit der Höfe und dadurch, dass diese noch dem Wohnstandard von vergangenen Jahrhunderten entsprechen, findet man im unter Denkmalschutz stehenden Gebäude so manche Unikate, welche es in dieser Form heutzutage nicht mehr gibt.
Rußküche
Ruß und eine Küche verbinden nur die wenigsten miteinander. Doch früher waren sogenannte Rauchküchen weit verbreitet. In diesen Küchen wurde auf offenem Feuer gekocht. Kamine, wie wir sie heutzutage kennen, gab es jedoch nicht. Der durch das Feuer entstandene Rauch stieg dann immer unter die mehr oder weniger dichte Raumdecke auf und blieb hier hängen. So kam es durchaus vor, dass die damaligen Köchinnen bis zum Hals hinab im Rauch standen. Der im Raum befindliche Rauch wurde dann wiederum zum „Selchen“ von Speck verwendet.
Die dicke Rauchschwade hinterließ an den Küchenwänden sichtbare Spuren. So kann man bis heute den „Rauchrand“ an den Wänden in den Ögghöfen erkennen.
Wusstest du, dass sogar der erste Kaunertaler Beamte unter Kaiser Maximilian bereits in den Ögghöfen wohnte?
Dieser fiel aber durch einen Schuss auf das “Jesus-Kreuz” während einer Prozession in Ungnade. Sagen rund um den Beamten behaupten, dass nach dem Schuss auf das “Jesus-Kreuz” echtes Blut aus dem hölzernen Jesus tropfte und dass kurze Zeit später die Ögghöfe in Vollbrand standen. Dass die Höfe einmal gebrannt haben, stimmt. Ob dies jedoch wirklich die Rache Gottes war, wird sich wohl nie eindeutig klären lassen.
Das Fall-Loch
Bergbauernhöfe stehen früher wie heute besonders während den kalten Wintermonaten vor der großen Herausforderung, wie die Räumlichkeiten beheizt werden können.
Da Heizungen, wie wir sie heute kennen, erst später erfunden wurden, musste man sehr erfinderisch werden. So entstand das sogenannte „Fall-Loch“. Ob das Wort „fallen“ auch damit zu tun hatte, dass viele durch das Loch hinuntergefallen sind, ist leider nicht eindeutig geklärt. Zweck des „Fall-Lochs“ war es aber, dass die Wärme in die oberen Stöcke des Hauses aufsteigen konnte und die Schlafzimmer einigermaßen temperiert wurden.
Die letzten dauerhaften Bewohner der Ögghöfe
Bis 1978 waren die Höfe dauerhaft besiedelt. Bis dahin gab es am Hof kein fließendes Wasser. Hier im Bild zu sehen sind die letzten Bewohner der Höfe.
Danach standen die Höfe mehr oder weniger leer und gerieten für kurze Zeit in Vergessenheit. Als die Höfe aber von Georg Praxmarer übernommen wurden, erstrahlten diese mit Beginn der Restaurierung im Jahre 2017 wieder in altem Glanze.
Alte Hofanlage mit neuer Perspektive
Seit damals hat sich auf den Ögghöfen viel verändert und trotzdem ist alles gleich geblieben. Die durch die Jahre sehr mitgenommenen Bauten wurden vom aktuellen Hofbesitzer Georg Praxmarer mit sehr viel Liebe restauriert und wieder aufgebaut.
Georg schaffte es, die Höfe nach heutigen Standarden auszurüsten und trotzdem die Kultur und die unzähligen Geschichten zu erhalten.
So dienen die Ögghöfe heute als Ferien- und Seminarort.
Aussichten wie hier vom Hof Richtung Gepatschgletscher und Stausee gibt es sonst nirgendwo hier im Kaunertal. So kann man direkt vom Frühstückstisch auf das ewige Eis blicken und immer wieder Neues entdecken.
Die Ögghöfe als Filmlocation?
Die historische Bauweise der Höfe machten sogar Filmproduzenten;link to: “Die Filmlocation am Gletscher” auf sich aufmerksam. So wurde der 2. Teil der Horrorfilmreihe „In 3 Tagen bist du tot“ auf den Ögghöfen gedreht. In den mehreren hundert Jahren alten Räumen wurden zum Teil angsteinflößende Szenen gedreht.
Wenn man genau hinsieht, kann man das Kaunertal und die historischen Höfe gut erkennen.
Nach unserem Besuch können wir mit Stolz und Erfurcht behaupten, dass die restaurierten Höfe einen großen Teil zur Geschichte rund um das Kaunertal beitragen und diese durch den großartigen Einsatz von Georg nun für Geschichtsliebhaber wieder zugänglich gemacht wurden.